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Presseinfo

Tobias Schößler, Jahrgang 1973, ist studierter klassischer Pianist mit einem ausgeprägten Faible für Improvisation und Komposition. Zwei viel gelobte und in den Medien sehr positiv wahrgenommene Solo-CDs hat er bisher veröffentlicht: „Zwischen den Tasten“ (2005) und „Rand-Erscheinungen“ (2008). Die Titel deuten an, worum es ihm geht. Hier bricht einer tradierte musikalische Formen auf, um aufzubrechen zu etwas Neuem. Auf die erfrischendste Weise kommt dieses Neue bei ihm aus ohne Belehrsamkeit und Besserwisserei. Es setzt dagegen auf Konzentration, Ausgewogenheit und vor allem Toleranz. Beschreibt man ihn als einen, der auf seine Art Klassik, Jazz, moderne Avantgarde und Rock mischt, trifft das die Sache nur zum Teil. Seine Sache ist vorab genau durchdacht und ausgereift, um dann in der spontanen Realisation alles Verkopfte hinter sich zu lassen. Zwischen ruppig und verträumt, konventionell und neu, heftig und kontemplativ ergibt das vor allem eins: eine Einladung, vorurteilslos Musik zu hören.

Tobias Schößlers originelle und originäre Stücke vergessen ihren Hörer nicht. Im Gegenteil: Sie schicken ihn in ein faszinierendes, ereignisreiches und ausgewogenes Hörabenteuer. Sie stellen ihm keine Denkaufgaben, aber sie unterfordern ihn erst recht nicht. Mit seiner neuen CD kommt Tobias Schößler auf diesem konsequenten Weg einen großen Schritt voran. Er belegt nachdrücklich, wie das von ihm Erarbeitete auch auf ein Gruppenkonzept übertragbar ist. Auf diese Weise gewinnt es an Druck und Intensität. Er tut dies nicht, indem er den gerade inflationär auftauchenden Klaviertrios seins hinzufügt. Er ist kein Epigone und er weiß, dass eine gute Komposition mit der Komposition der Band beginnt. Also lud er einen in freier Improvisation erfahrenen Schlagzeuger, den Peter Kowald-Schüler Klaus Wallmeier, und drei Musiker aus klassischem Umfeld ein, Geiger Benjamin Sommer, Cellist Michael Corßen und Posaunist Frederik Jennen. Diese außergewöhnliche Besetzung ergibt einen delikaten, nuancierten und austarierten Klangkosmos. Nichts in diesen 17 Kompositionen ufert aus oder verselbstständigt sich. Eins geht aus dem anderen hervor und alles passt zueinander wie in einem großen Organismus. Das geht durchaus auf Bekanntes zurück und denkt es weiter. Nicht um der Effekte willen ist diese handgemachte Musik konzipiert.

Gar nicht elitär, lässt sie das Einfache zu bis hin zu wundervollen Melodien, die sich im Kopf festsetzen. Direkt, unmittelbar und unverblümt ergibt das eine neue Synthese der Elemente und findet Wesentliches. Vielleicht bewahrt Tobias Schößler das ländliche Leben in ostwestfälischen Dorf vor der allgemein grassierenden Trendhechelei in den Metropolen des digitalen Zeitalters? Gegen diesen Strom schickt er seine wohldurchdachte Flaschenpost der Klänge los. Bach, Jarrett, Pärt, Ligeti, Minimal Music und Indie-Pop: Referenzpunkte gibt es viele. Sie werden nicht als Zitate abgerufen, sondern geben den historischen Background für sein kurzweiliges Spiel.

Der CD-Titel „Letters Late“ ist eine schöne Metapher für dieses Arbeiten. Es ist schade, dass Briefe als ausgewogene, uneilige und auch formschöne Kommunikationsform verschwinden. Man schrieb sie anders als schnelle und standardisierte E-Mails. Ganz unbedingt aber verankert Tobias Schößler seine Kunst im Jetzt. Nur ist er klug genug zu wissen, dass jedem Aufbruch etwas vorausgegangen sein muss. Das macht sie zu etwas sehr Besonderem.

Ulrich Steinmetzge